Jeanshose zur Anprobe vorbereiten #F01
Im folgenden Beitrag erkläre ich Schritt für Schritt per Video und bebilderter Textanleitung, wie ich eine Jeanshose zur Anprobe vorbereite. Auch bei einer Hose nach Maß ist eine Anprobe vor dem Fertigstellen unbedingt zu empfehlen. Selbst beim Maßschneider werden die Kunden zur Anprobe bestellt, bevor sie dann ihr fertiges Kleidungsstück abholen können. Daher sind in unseren Schnittmustern an einigen Stellen auch breitere Nahtzugaben enthalten, über die man bei Bedarf regulieren kann. Um einen realistischen Eindruck zu erhalten, wie die fertige Hose sitzen wird, ist es wichtig, den Bund zur Anprobe anzunähen. Das gilt besonders beim Formbund, denn da ist der Umfang an der Unterkante viel größer als an der oberen Kante. Ich wünsche euch viel Spaß und gutes Gelingen!
1. Das wird benötigt
Schnittteile aus Oberstoff:
- Vorderhose, an der bereits Schlitz und Taschen eingearbeitet sind
- Hinterhosen (HH), bei denen – soweit vorhanden – bereits der Sattel angenäht ist
- beide Bundstreifen (B)
- Einlage für die Bundstreifen (EB)
- vorgefertigte hintere Hosentaschen (TAH), alternativ 2 x die Papierschablone der fertigen Tasche (P-TAHF)
Werkzeuge und Hilfsmittel:
- aus Papier die Schablone für Taschenposition (P-TAHP)
- Stecknadeln und/oder Clips
- Handarbeitsschere
- Schneiderkreide oder Markierstift
2. Sattelnaht überbügeln und Gesäßnaht schließen
Zuerst bügle ich die Nahtzugabe der Sattelnaht nach unten, da ich die Naht später in diese Richtung übersteppen möchte.
Dann wird die Gesäßnaht verbunden. Dazu lege ich die Hinterhosenteile rechts auf rechts aufeinander und stecke sie zusammen.
Wenn die Hinterhose eine Sattel- oder Teilungsnaht hat achte ich darauf, dass diese genau aufeinander trifft.
Diese Naht wird nun mit einem großen Maschinenstich oder einer Heftnaht verbunden. Der Vorteil einer Heftnaht ist, dass sie sich schneller wieder auftrennen lässt und die Nadeleinstiche danach meist nicht zu sehen sind.
Bei einer enganliegenden Hosenform empfehle ich den großen Maschinenstich, da dieser mehr Halt gibt.
Falls an der Bundkante ein Knips für die Nahtbreite ist, beachtet bitte das entsprechende Maß. Ansonsten gilt die Standard-Nahtbreite von 10 mm.
3. Taschenposition für die Anprobe anzeichnen
Für die Anprobe ist es sinnvoll, die Position der hinteren Taschen zu prüfen. Die Positionierung kann die Optik sehr beeinflussen und diese wiederum ist Geschmackssache.
Ich lege die Hinterhose so vor mich hin, dass die rechte Stoffseite zu mir zeigt. Die Gesäßnaht lege ich zur linken Seite, da ich die Naht später in diese Richtung doppelt übersteppen möchte.
Nun platziere ich die Schablone für die Taschenposition so, dass sie auf dem linken Hosenteil an der Gesäß- und Sattelnaht anliegt. Solltet ihr eine Hose ohne Sattel haben, legt die Schablone stattdessen an der Bundkante an. Dann markiere ich die Taschenform mit einigen Kreidestrichen an der Eingriffkante und den Seiten.
Auf dem rechten Hosenteil verfahre ich genauso, lege die Schablone jedoch gespiegelt und mit 10 mm Abstand von der Gesäßnaht an. Dort mache ich später die Doppelsteppung mit einem Nahtabstand von 2+8 mm, von der die Taschen optisch den gleichen Abstand haben sollen.
Option: Taschen festheften oder -stecken
Um die Taschen dem jeweils richtigen Hosenteil zuordnen zu können, ist an einer der seitlichen Kanten ein Knips zu finden, der zur Seite der Gesäßnaht (also der hinteren Mitte) zeigt.
Wenn ihr möchtet, könnt ihr die fertige Taschenschablone oder die vorgefertigten Taschen (falls ihr schon vorgearbeitet habt) an der Markierung aufstecken oder aufheften. Wenn euch die Position nicht gefällt, könnt ihr die Taschen natürlich auch verschieben.
4. Beinnähte schließen
Jetzt werden die Beinnähte geschlossen. Dazu lege ich die Vorderhose rechts auf rechts auf die Hinterhose und stecke sie an den Seitennähten zusammen. Ich achte darauf, dass die Knipse aufeinandertreffen.
Beachtet auch, wie breit die Nahtzugaben sein sollen. Das könnt ihr im Schnittmuster nachmessen oder erkennt es an dem Abstand, den die Knipse am Nahtbeginn bzw. -ende bis zur Stoffkante haben. Falls dort keine Knipse vorhanden sind, gilt die Standard-Nahtbreite von 10 mm.
Anschließend stecke ich die innere Beinnaht zusammen. Hier achte ich darauf, dass sich die Gesäßnaht und die kurze Schrittnaht der Vorderhose genau treffen.
Von diesem Kreuzungspunkt – auch Kreuznaht genannt – bis zum Knie muss die Hinterhose etwas auf die Länge der Vorderhose gedehnt werden. Diese Differenz ist für eine bessere Passform ins Schnittmuster eingearbeitet.
Die äußeren und inneren Beinnähte werden nun ebenfalls mit einem großen Maschinenstich oder einer Heftnaht verbunden.
Anschließend kann die Hose gewendet werden. Geht dabei vorsichtig vor und verletzt euch nicht an den Stecknadeln, falls ihr die Taschen aufgesteckt habt.
5. Bund vorbereiten
Für die Anprobe ist es wichtig, auch den Bund anzubringen. Besonders bei einem geformten Bund würde die Hose ohne diesen viel zu weit erscheinen.
Bevor der Bund angebracht werden kann, muss ich ihn vorbereiten. An dieser Stelle greife ich dem Arbeitsschritt für die Bundverarbeitung vor.
Ich lege einen der Bundstreifen mit der linken Stoffseite nach oben vor mich hin und bügle die Einlage auf. Das wird später der äußere Bundstreifen.
Die Einlage wird hier aus zwei Teilen geschnitten, da sie oft nur in schmaler Breite erhältlich ist. An der hinteren Mitte überlappen die Teile dann etwas.
Beachtet die Herstellerangaben zu Temperatur und Dauer, mit welchen die Einlage aufgebügelt werden soll.
Dann drehe ich den Streifen um, so dass die rechte Stoffseite zu mir zeigt, lege den 2. Bundstreifen rechts auf rechts darüber und stecke beide an der Oberkante zusammen. Die Oberkante erkenne ich an den abgeschrägten Ecken an den schmalen Enden.
Da diese Naht an der Oberkante nicht mehr komplett aufgetrennt wird, nähe ich sie bei 1 cm Nahtbreite mit normaler Stichlänge zusammen. Hierbei beginne und ende ich ca. 1,5 cm vor den Längskanten. Nahtanfang und -ende verriegle ich nicht, da ich später – je nachdem, wie die Ecken gearbeitet werden – nochmal ein kurzes Stück auftrennen muss.
Als nächstes bügle ich die Nahtzugaben an der Bundoberkante auseinander.
Dann klappe ich den Innenbund links auf links auf den fixierten Außenbund und bügle die Naht flach. Dabei achte ich drauf, dass sie oben ganz leicht nach innen liegt und nicht zur Außenseite schiebt.
Knipse übertragen/kontrollieren
Nun übertrage ich – wenn ich es nicht schon beim Zuschnitt gemacht habe – die Knipse für die hintere Mitte, die Seitennaht und die vordere Mitte auf die Bundaußenseite.
Wenn ihr die Knipse schon beim Zuschnitt übertragen habt, kontrolliert an dieser Stelle nochmal die Position. Durch das Aufbügeln der Einlage und die Verarbeitung kann der Bundstreifen sich etwas dehnen oder zusammenziehen.
Das ist auch eine gute Gelegenheit, zu überprüfen, ob die Bundlänge noch zum Schnittmuster passt. Es könnte sein, dass er sich durch das Nähen oder Bügeln verändert hat. Außerdem prüfe ich, ob beim Formbund die Naht im vorderen Bereich, in dem der Stoff im schrägen Fadenlauf liegt, noch dehnbar ist.
6. Bund zur Anprobe an die Hose heften
Ich lege den Bund zunächst so über die Hose, wie er angesetzt wird.
Der vordere Knips an der Unterkante des Bundes gibt auf beiden Seiten die Position der vorderen Mitte an. An der linken Hose ist die Kante an der Übertrittseite die vordere Mitte.
Am rechten Teil ist die vordere Mitte an der Stelle, wo die Übertrittkante bei geschlossenem Reißverschluss bzw. geschlossener Knopfleiste anliegt. Wenn ihr nicht sicher seid, wo genau sie ist, schaut nochmal in eurem Schnittmuster nach.
An der linken Seite (mit der Schlitzsteppung) steht der Bund einige Zentimeter über. Lasst euch davon nicht irritieren – darauf gehe ich später noch ein.
An der rechten Seite steht der Bund 1 cm, also genau in Nahtbreite, über.
Nun stecke ich den Bund ringsum fest und achte darauf, dass alle Knipsmarkierungen aufeinandertreffen.
Die seitlichen Knipsmarkierungen des Bundes treffen jeweils genau auf die Seitennähte.
Der Knips an der hinteren Mitte trifft genau auf die Gesäßnaht. Die Weite zwischen den Markierungen verteile ich gleichmäßig, wobei der Bund im Verhältnis zur Hose eher stramm ist.
Den Bund nähe ich nun doppellagig mit 1 cm Nahtbreite an die Hose. Dazu verwende ich wieder einen großen Maschinen- oder einen Heftstich.
7. Anprobe
Nun könnt ihr die Hose anprobieren. Steckt dazu den Bund mit einer Sicherheitsnadel vorsichtig so zusammen, dass die vordere Mitte übereinander liegt, auch wenn dabei Spannung auf den Bund kommt.
Der Saumeinschlag wird nach außen umgeschlagen, so dass man ihn besser korrigieren kann. Macht die Hose nicht zu kurz und denkt daran, dass sie sich durch das Tragen oft noch etwas verändert.
Achtet darauf, dass der Hosenbund in der richtigen Höhe sitzt. Um das zu überprüfen, messt die Seitenlänge vom Boden bis zur oberen Bundkante und vergleicht sie mit der Seitenlänge, die ihr im Konfigurator angegeben habt.
Sitzt der Bund in der richtigen Höhe und ist trotzdem zu eng oder zu weit, vergleicht einmal das Maß, das ihr beim Konfigurieren angeben habt, mit dem Umfangmaß an der Stelle, wo euer Bund nun sitzt.
Um einen Eindruck zu erhalten, wie die Hose sitzt, empfehle ich euch, Fotos von vorne, hinten und der Seite zu machen. Die Fotos solltet ihr möglichst gerade – also nicht schräg von oben oder unten – aufnehmen.
8. Optionen zur Bund-Anpassung
Solltet ihr während der Anprobe feststellen, dass der Bund zu eng ist, könnt ihr die Nahtzugabe an der Seitennaht auslassen.
Die Zugabe an der linken vorderen Seite, die ansonsten weggeschnitten würde, könnt ihr für die Erweiterung nutzen. Die Knipse an der Bundunterkante werden dann auch entsprechend verschoben.
Wenn die Bundweite passt, markiert an der linken vorderen Mitte 1 cm Nahtbreite und schneidet den überstehenden Bundstreifen ab.
Achtet vor dem Abschneiden darauf, dass die fixierte Außenseite des Bundes auch wirklich außen liegt.
Den Bund trenne ich nun von der Hose.
Dann lege ich ihn rechts auf rechts zusammen und bügle ihn wieder flach.
An der gekürzten Übertrittseite trenne ich den Bund für die spätere Eckenverarbeitung ca. 1,5 cm auf.
Wenn ihr bei der Anleitung zur Bundverarbeitung ankommt, könnt ihr sofort bei Schritt 4 beginnen.
Da die Bundoberkante schon zusammengenäht ist, müsst ihr nur noch die vorderen Kanten zusammennähen. Startet dabei jeweils an der Oberkante mit ca. 3 cm Abstand zur vorderen Kante und folgt der weiteren Anleitung.
Falls bei eurer Hose weitere Anpassungen nötig sind, übertragt diese auf euer Schnittmuster und berücksichtigt sie bei der weiteren Verarbeitung. Ich trenne die Probehose nun wieder auseinander und mache bei Punkt 4 der Anleitung zum Schließen der Gesäßnaht weiter.
Tipps
Hier noch ein paar Hinweise, was ihr bei der Anprobe beachten solltet:
- Je enger ihr die Passform gewählt habt und je weniger dehnbar euer Stoff ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass die Hose an der Beinrückseite einige Falten wirft. Das liegt daran, dass die Hose an der Rückseite eine “Mehrlänge” hat, die ihr benötigt, damit ihr euch bequem hinsetzen könnt.
- Auf Fotos sehen Falten manchmal schlimmer aus, als sie es tatsächlich sind. Werft auf jeden Fall auch nochmal einen Blick in den Spiegel um zu sehen, wie es wirklich aussieht.
Wenn ihr trotzdem Probleme mit der Passform habt, schickt mir gerne eine E-Mail mit Bildern der angezogenen Hose (s. o.). Dann kann ich euch ggf. noch ein paar Tipps zu Anpassungen geben. Das geht an dieser Stelle viel besser, als zu einem späteren Zeitpunkt.
Hier findet ihr den Link zur weiteren Anleitung :
Falls ihr noch gar nicht so weit seid und vielleicht ganz vorn anfangen wollt, findet ihr hier noch einige Links: